Brief der Bewohner

Dezember 2023

OFFENER BRIEF DER LAGERBEWOHNER IN HERMSDORF

Sehr geehrte Frau Höhne,
sehr geehrter Herr Roßner,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Schenk,
sehr geehrter Herr Minister Maier,
sehr geehrte Frau Ministerin Denstädt,

wir sind Bewohner der Erstaufnahme Einrichtung in Hermsdorf und wollen unseren Unmut über die Situation in der Erstaufnahme öffentlich machen und bitten Sie, uns zuzuhören und unsere Kritik ernst zu nehmen. Der Zustand dieses Camps ist menschenunwürdig. Wir sind vor Krieg und anderen unmenschlichen Lebensumständen geflohen und müssen nun in dieser Hölle leben und uns wird kein Schutz gewährt. Alles, was wir wollen, ist hier rauszukommen und endlich in einem sicheren und würdigen Umfeld zu leben.

Die Bedingungen in diesem Camp sind für Tiere ausgelegt, nicht für Menschen. Das Camp ist eine Lagerhalle, in der es keine richtigen Zimmer gibt. Unsere sogenannten „Räume“ sind lediglich durch Bauzäune voneinander getrennt, weshalb es keinerlei Privatsphäre gibt. Wir müssen mit ca. 700 Menschen auf engstem Raum leben, wo uns kein Tageslicht und frische Luft erreicht, es fällt schwer zu atmen! Acht oder neun Leute teilen sich ein „Zimmer“, wir müssen teilweise auf dem Boden schlafen. Viele von uns haben Schlafstörungen, auch, weil es bis in die Nacht sehr laut ist. Und das für einige von uns schon seit mehr als fünf Monaten!

Das Essen hier ist fürchterlich. Es ist nicht ausreichend und teilweise abgelaufen oder verschimmelt. Selbst in den Geflüchtetenlagern in Syrien war das Essen verglichen mit der Versorgung hier gut. Wie kann das sein?

Es ist Winter und kalt hier. Wir können nicht selbstbestimmt entsprechend warme Kleidung oder zum Beispiel Bettdecken kaufen, weil das wenige Taschengeld, das wir bekommen, nicht ausreicht und der Kauf nicht vorgesehen ist. Wir haben nicht ausreichend warme Kleidung und Decken, um in der Nacht schlafen zu können. Auch vor Ort wird keine Kleidung ausgegeben. Und die Kleidung, die wir haben, können wir nur sehr selten waschen, da Waschmittel fehlt und nur vier der Waschmaschinen funktionieren. Wobei auch sechs Waschmaschinen bei ungefähr 700 Menschen unzureichend sind.

Die Hygienebedingungen sind katastrophal. Die Bäder und Flure sind dreckig und es sammelt sich Müll auf den Gängen, auch wenn theoretisch zwei Mal pro Tag geputzt wird – aber bei wie gesagt ca. 700 Menschen reicht das nicht aus. Wir können unseren eigenen hygienischen Ansprüchen nicht gerecht werden. Wir erhalten keine Seife oder andere Hygieneprodukte. Zwischen 0:00 Uhr und 7:00 Uhr gibt es nicht einmal warmes Wasser! Es ist nicht verwunderlich, wenn sich unter diesen Umständen Infektionskrankheiten verbreiten.

Zudem ist die medizinische Versorgung im Camp sehr schlecht. Wir müssen zum Camp-Arzt in Eisenberg, wenn wir krank sind. Aber die Anfahrt dorthin wird nur organisiert, wenn mehrere Personen betroffen sind. Selbst gesundheitliche Schäden, die chirurgisch versorgt werden müssen, bleiben unbehandelt. Eine Zahnärztin gibt es gar nicht. Es gibt oft keine Übersetzung beim Besuch der Ärzt:innen, sodass wir nicht ausreichend über Krankheit und Behandlung aufgeklärt werden können.

Wir wollen die Möglichkeit haben, uns zu verständigen und unsere Anliegen selbstständig zu formulieren. Dazu ist es notwendig, dass wir die deutsche Sprache lernen, aber das wird uns nicht ermöglicht. Wir haben nach Deutschlehrer:innen gefragt und dafür einen Brief mit über 50 Unterschriften von Bewohnern ans zuständige Sozialamt geschrieben. Aber wir werden ignoriert und sind dem Sozialamt nicht einmal eine Antwort wert und haben weiterhin keine Möglichkeit Deutschkurse zu machen. Wir wissen, dass es für Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl Deutschkurse gibt.

Weiterhin haben wir große Probleme mit der Security vor Ort. Sie wurde schon mehrmals gewalttätig und sorgt für Eskalation, anstatt uns zu schützen.

Selbst sehr vulnerable Menschen, die z. B. im Rollstuhl sitzen, haben mit all diesen harten Umständen zu kämpfen.

Niemand darf uns besuchen, wir leben komplett abgeschottet. Außer der Polizei und Krankenwagen darf niemand das Camp betreten. Wie soll die Welt so erfahren, unter welchen Bedingungen wir hier leben müssen? Wir haben schon einiges versucht und sind sogar in den Hungerstreik getreten, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen. Aber niemand wollte uns hören! Wir sind entsetzt! Was soll noch passieren, damit uns zugehört wird?

Wir kommen alle aus der Erstaufnahme Einrichtung in Suhl. Dort haben viele von uns schon einen Aufenthalt bekommen, trotzdem wird uns keine Möglichkeit aufgezeigt, dieser Situation zu entkommen. Unsere Asylverfahren werden nicht oder nur sehr langsam bearbeitet. Das wird dadurch verschärft, dass es keine (ausreichende) rechtliche Beratung gibt, die uns über unsere Rechte während des Prozesses aufklärt. Einige in der Unterkunft sind schon über drei Monate da. Wir dürfen nicht arbeiten. Wir hängen hier fest.

Die Verteilung aus dem Camp läuft sehr intransparent und ungerecht. Einige müssen viel länger warten als andere. Wir fordern eine gerechte und transparente Verteilung.

Wir fordern eine menschenwürdige Unterbringung aller Bewohner des Camps in Hermsdorf. Das bedeutet nichts anderes als dessen Auflösung!

Wir fordern das Ende unserer Isolierung, um die Gesellschaft kennenlernen und mitgestalten zu können. Dafür müssen unsere Anträge beim BAMF adäquat bearbeitet werden. Bitte nehmen Sie sich unsere schlimme Lage zu Herzen! Wir wünschen uns einen respekt- und würdevollen Austausch darüber, wie wir unsere Situation verändern können. Zur Kontaktaufnahme können Sie uns über folgende E-Mail-Adresse erreichen.

Mit freundlichen Grüßen

die Bewohner des Camps in Hermsdorf